Kunst und Dokument 2016

                                   
Ausstel­lungs­dauer: 7. April bis 5. Mai 2016

Im April 2016 stellen wir die Arbeit der letzt­jäh­rigen Stipen­diatin aus Beirut, Alia Hamdan, aus. Diese Arbeit wurde während ihres Aufent­haltes in Köln entwi­ckelt und ist das Ergebnis ihres Stipen­diums. Die Ausstel­lung untaped der Kölner Stipen­di­antin Therese Schuleit wird am selben Abend, dem 7. April um 18 Uhr im NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln eröffnet, es schließt ein gemein­samer Spazier­gang mit Stadt­füh­rung durch Beirut von Therese Schuleit zu uns ins Matjö an um gegen 19 Uhr die Ausstel­lung A False Disap­pearance von Alia Hamdan zu eröffnen.

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Therese Schuleit – untaped

Vier Fundstücke habe ich aus Beirut zurück gebracht. Ein 120 cm langes, sonnen­ver­branntes Kasset­ten­tape, das um einen Ast gewickelt war. Ein Radio, das jahre­lang an der Tür eines Balkons hing. Ein ungeöff­netes Ampex Sound­tape der Baalbeck Studios, das Ende der 70er Jahre bestellt wurde. Und ein Element, das an den Straßen­rän­dern im Zentrum von Beirut steht. Es sichert den Abstand zwischen den Außen­mauern der Bankhäuser und Minis­te­rien und der Straße.

Die ersten drei Objekte werde ich zurück nach Beirut bringen, sie gehören mir nicht. Das letzte, dessen Bezeich­nung ich nicht kenne, werde ich hier in Köln lassen. Es stammt, anders als die anderen, aus der Gegen­wart Beiruts.  (T. S.)

Therese Schuleits Fundstücke zeichnen ihre Recherche entlang archi­tek­to­ni­scher Leerstellen der libane­si­schen Gegen­wart und obsolet gewor­dener Aufnahme- und Archiv­ma­te­ria­lien nach.

Die Leerstellen, die durch fehlende Infor­ma­tionen auf dem Archiv­ma­te­rial, Überset­zungs­fehler und Kommu­ni­ka­ti­ons­pro­bleme entstehen, werfen Fragen nach der ursprüng­lich vorge­se­henen Erzäh­lung auf. Es sind Fundstücke eines Krieges, deren Inhalte verborgen bleiben oder deren geplante Aufzeich­nungen durch den Krieg verhin­dert worden sind. Es sind Erzäh­lungen eines Krieges, der immer noch nachhallt.

Therese Schuleit hat audio­vi­su­elle Medien, verglei­chende Litera­tur­wis­sen­schaften und Illus­tra­tion in Köln, Florenz und Mainz studiert. 2008 schloss sie ihr Studium an der Kunst­hoch­schule für Medien Köln mit Diplom ab. Seitdem arbeitet sie an den Schnitt­stellen Sound und Raum. Ihre Arbeiten hinter­fragen Wahrneh­mungs­pro­zesse, seman­ti­sche Struk­turen, die Verwen­dung von Materia­lien und die Beschaf­fen­heit und Nutzung von Orten in Mixed Media-Installationen, Inter­ven­tionen und Dialogen.

Vernis­sage 07.  April 2016, 18 Uhr 
NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Appell­hof­platz 23 – 25,  50667 Köln

Begrü­ßung:
Dr. Werner Jung, NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Stanislaw Stras­burger, Schrift­steller und Kulturmanager

Im Anschluss gemein­samer Spazier­gang zum Matjö – Raum für Kunst Reading und Inter­ven­tion "There is no such thing as stray dogs in Lebanon" entlang behaup­teter Paral­lelen im urbanen Raum der beiden vom Krieg zerstörten Städte Köln und Beirut von Therese Schuleit

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ALIA HAMDAN — A False Disap­pe­rance (Haikus for Edelweiß)

Eröff­nung: 7.  April 2016, 19 Uhr im Matjö – Raum für Kunst, Mathi­asstr. 15, 50676 Köln
Ausstel­lungs­dauer: 7. April bis 5. Mai 2016, Di., Mi. & Do. 15? — ?18 Uhr

Begrü­ßung:
Götz Sambale, Vorsit­zender BBK Köln
Doris Frohn­apfel, Künst­lerin, Vorstand BBK Köln
Im Anschluss Imbiss und Umtrunk

During her Art and Archive residency in Cologne, Beirut artist Alia Hamdan wrote the film state­ment, „I disap­peared early this morning in Cologne“. This ficti­tious asser­tion was the starting point for an inves­ti­ga­tion that blends archival material from Beirut and Cologne into a personal script. 

As the film unfolds, it reveals the research the artist carried out in both cities about forms of deviancy in Nazi Germany and during the Lebanese Civil Wars. Hamdan’s logistical musings as to whether the archives of Cologne can be accessed through a park or those in Beirut via airplane aim at exposing her own devia­tions from the Archives. By focus­sing on a park in Cologne and on the Beirut airport, the film attempts to articu­late a politics of devia­tions and highlight diffe­rences in deviancy between Beirut and Cologne. 

Während ihres Köln Aufent­haltes als „Kunst und Dokument“-Stipendiatin formu­lierte die Künst­lerin Alia Hamdan aus Beirut bereits den Einstieg in ihren geplanten Film: „I disap­peared early this morning in Cologne“ (Ich bin heute früh in Köln verschwunden). Entstanden ist ein filmi­sche Inves­ti­ga­tion, die Archiv­ma­te­ria­lien aus Beirut und Köln mit einer persön­li­chen Erzäh­lung verflechtet.

Beim Betrachten des Films wird die Recherche von Alia Hamdan, die sie in beiden Archiven gemacht hat, und die sich mit dem Thema ‚abwei­chenden Verhal­tens‘ oder ‚Abweich­ler­tums’ während des Nazi-Regimes und der Libane­si­schen Bürger­kriege ausein­an­der­setzte, nach und nach offengelegt.

Zugleich wird ihr eigenes abwei­chendes Verhalten in Bezug auf die Archive aufge­deckt oder bewusst insze­niert, indem sie sich im Film an Fragen festhält, wie: Ob man das Kölner Archiv vielleicht durch einen Park betreten könne oder das Beiruter Archiv von einem Flugzeug aus? Durch die Fokus­sie­rung auf einen Park in Köln und den Flughafen von Beirut beabsich­tigt Alia Handan syste­ma­ti­sche Ab- oder Auswei­chung zu thema­ti­sieren und zu ergründen, zugleich aber auch die histo­ri­schen Unter­schiede von ‚Abweich­lertum’ in den Städten Beirut und Köln darzulegen.

Mit ihrem ‚choreo­gra­fierten’ Film ist es Alia Hamdan gelungen, anhand eines Themas eine ungewöhn­liche Verbin­dung zwischen den Archiven und der Historie der beiden Städte Köln und Beirut herzustellen.

Alia Hamdan wurde 1979 in Beirut geboren. Von 1999 bis 2005 absol­vierte sie eine tänze­ri­sche Ausbil­dung an der Musik­hoch­schule in Montpel­lier und am National Choreo­gra­phic Center. 2003 erhielt sie das Stipen­dium „Danceweb“ (ImPul-sTanz Festival, Wien). Neben ihrer künst­le­ri­schen Tätig­keit besitzt Alia Hamdan jeweils einen Master in den Fächern Philo­so­phie (Univer­sité Paris-Sorbonne) und Urban Studies (Univer­sité Paris-Nanterre). Sie lehrt an der ALBA Univer-sität, Beirut und am Beirut Art Center? – ?BAC.

 

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Die Arbeiten von Alia Hamdan und Therese Schuleit entstanden im Rahmen des Aufent­halts­sti­pen­diums „Kunst und Dokument. Köln-Beirut“ 2015 (Art and Archives. Cologne-Beirut) in Köln. Ziel des Aufent­haltes ist der inter­kul­tu­relle Austausch, wobei sich die Künstler mit Vergan­gen­heit und Aktua­lität der Partner­stadt durch (Kunst-)Dokumente und persön­liche Erfah­rungen vertraut machen und die gefun­denen histo­ri­schen und gesell­schaft­li­chen Probleme künst­le­risch aufarbeiten.
Das Künst­ler­sti­pen­dium »Kunst und Dokument« wird ermög­licht durch die städti­schen Kultur­ämter in Köln und Beirut, die Rhein­Energie Stiftung Kultur, das UMAM Documen­ta­tion & Research Beirut, die Arab Image Founda­tion Beirut, den Bundes­ver­band Bildender Künstler Köln e. V. sowie durch das NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln. Die Schirm­herr­schaft hat die Deutsche Botschaft in Beirut übernommen. Das Projekt wurde von Stanislaw Stras­burger entwi­ckelt und von 2012 bis Anfang 2016 von ihm geleitet. Seitdem wird es vom Kultur­werk des BBK Köln e. V. weitergeführt.